Herr Ovelgönne erzählt von den letzten Kriegstagen
Er war sechs Jahre alt, als der Krieg ausbrach, zwölf, als er endete: Am Montag, den 6. Oktober 2014 war Herr Ovelgönne Gast in der Klasse 10R an unserer Oberschule. Ihr Thema in Geschichte: „Kriegsende und Neubeginn in Deutschland“. Was hat das mit Cappeln zu tun?
Im Oldenburger Münsterland verlief weder die Front noch war es Schauplatz ausgiebiger Kämpfe zwischen den Truppen Nazi-Deutschlands und den Alliierten. Wer jedoch glaubt, dass der Krieg hier überhaupt nicht stattgefunden hätte, der irrt! Herr Ovelgönne erinnerte sich an den Ton der Sirenen, der fast jeden Morgen Fliegeralarm bedeutete: Britische Bomber überquerten auf dem Weg nach Bremen Cappelner Gebiet und verloren schon mal eine Bombe; selten stürzte auch mal ein Flugzeug ab. Für die Kinder und Erwachsenen bedeutete es dann, den Bunker im angrenzenden Wald aufzusuchen. Auch die Bombardierung des benachbarten Cloppenburg blieb ihm in Erinnerung: Damals kamen ca. 120 Personen um, die in Massengräbern auf dem St. Andreas-Friedhof beigesetzt wurden.
Im Frühjahr 1945 kam die Front aus Sevelten nach Cappeln: Englische Panzerkolonnen fuhren durch Cappeln. Die extra aufgebauten Panzersperren umfuhren sie einfach. Letzte bewaffnete Soldaten zur Verteidigung der Heimat konnten gerade noch daran gehindert werden, sich den Panzern entgegenzustellen und damit in den sicheren Tod zu gehen. Als kleiner Junge konnte Herr Ovelgönne die Situation politisch nicht einschätzen: Denn die Kinder wussten nur, dass Deutschland einen guten Führer hatte!
Nach Ende des Krieges kamen viele Flüchtlinge nach Cappeln: Die Einwohnerzahl stieg von 2700 auf 4200 Einwohner an. Die Flüchtlinge wurden von Amts wegen in die Wohnungen der Einheimischen mit einquartiert, denn gesonderten Wohnraum oder gar Flüchtlingsquartiere gab es nicht. Das Leben in Cappeln war einfach und schlicht, aber Armut oder lebensbedrohlichen Hunger gab es nicht. Denn die Lebensmittel wurden weitgehend selbst hergestellt, viele der Bürger betrieben eine Nebenerwerbslandwirtschaft, die die notwendigen Lebensmittel wie Korn, Fleisch, Obst, Milch erzeugte. Auch Hamsterer aus dem Ruhrgebiet tauchten in Cappeln auf: Sie tauschten Waren (Schmuck, Stoffe) gegen Lebensmittel (Speck, Fleisch, Butter…). Auch war es in dieser Zeit üblich, dass die Arbeit z. B. des Zahnarztes oder des Schneiders, mit Lebensmitteln bezahlt wurde, denn das alte Geld der Hitlerzeit hatten seinen Wert verloren. Auch war es nicht immer möglich, die ausgegeben Lebensmittelkarten einzutauschen, denn es herrschte Mangel an vielen Gütern. Erst mit der Einführung der Deutschen Mark 1948 waren die Dinge des täglichen Lebens und sogar Konsumgüter wieder frei zu kaufen.
Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10R und ihr Lehrer, Herr Imwalle, erlebten in dieser Stunde Geschichte hautnah, von einem Zeitzeugen, der die großen Dinge der Weltgeschichte in den Alltag unseres Dorfes holte. Eine solche Chance gibt es nicht mehr oft. Herr Ovelgönne wurde mit Dank für sein persönliches Zeugnis verabschiedet.